BDR-Sichtung funktioniert

„Die Sichtungsrennen stellen eine Grundlage für die Berufung zu BDR-Maßnahmen im Nachwuchsbereich dar“, heißt es in der Generalausschreibung für die BDR-Sichtungsrennen unter dem Punkt „Sonderbestimmungen“. Das Ziel der Serie ist damit klar beschrieben: der Nachwuchs soll voran gebracht werden. Wie gut das funktioniert, beweisen nicht nur die jüngsten Ergebnisse, als beispielsweise Pascal Ackermann die ASVÖ-Jugendtour in diesem Jahr gewann. Eine nicht unwichtige Rundfahrt für die Jugend U17 im internationalen Kalender. Jener Pascal Ackermann führt auch die Rangliste in diesem Jahr an und steht auf dem Sprung dorthin, wo viele seiner Vorgänger bereits sind.

Marcel Kittel, Patrick Gretsch und John Degenkolb sind aktuelle Beispiele, die als Jugendfahrer schon vorne mitmischten und jetzt im Profilager ihre ersten Spuren hinterlassen. Rennfahrer wie Christoph Meschenmoser oder Sven Krauss sammelten ebenfalls in der nationalen Sichtung, die in der heutigen Form seit 1996 durchgeführt wird, ihre ersten Erfolge. „Im Prinzip waren sie alle schon bei uns“, verweist Klaus Waclawik nicht ohne Stolz auf seine Statistik. Der Berliner, beim BDR als Beisitzer für den Jugendrennsport verantwortlich, ist von Anfang an dabei und weiß auch die eine oder andere Anekdote zu erzählen. Von einem gewissen Jan Ullrich beispielsweise, der in Dassow nach Sicherheitsnadeln für die Rückennummer fragte. Damals, als ihn noch keiner kannte.

Konstantes Programm

Inzwischen ist die Serie kaum aus dem Rennkalender wegzudenken. Nicht zuletzt deshalb, da die einzelnen Rennen in jedem Jahr dieselben sind. Auf Planungssicherheit wird schon hier großen Wert gelegt. So gehören die beiden abschließenden Rennen in Langenhagen und Hildesheim von Beginn an dazu, Sömmerda, Genthin und Überherrn sind ebenfalls eng mit der BDR-Sichtung verbunden. Auch wenn Sömmerda in diesem Jahr vermutlich vorerst zum letzten Mal Gastgeber war. Das zeichnete sich bereits ab, als das Einzelzeitfahren in Ronneburg stattfand. Der Landesverband Thüringen aber signalisierte bereits, am Doppelwochenende festhalten zu wollen. Damit würde sich auch im nächsten Jahr nichts Gravierendes ändern.

Zukunftsmusik

14 Rennen waren es für dieses Jahr, die Herbstsichtung in der Einerverfolgung und im Punktefahren Ende September vergangenen Jahres in Öschelbronn mit eingeschlossen. So ähnlich soll es auch 2011 aussehen, am Modus selbst soll sich nicht viel ändern. Eine Mischung aus Straße und Bahn wird es wieder sein. Was auch den Machern sehr wichtig ist. „Das Methodische auf der Bahn bringt sehr viel in dem Alter“, erklärt Klaus Waclawik. Natürlich sei das manchmal für den einen oder anderen ein Nachteil, gibt der Berliner zu. Verweist aber auch auf seine langjährigen Erfahrungen, dass ein gewisses Programm auf dem Oval auch für Straßenfahrer sehr nützlich sein kann. Ines Richter, die Vertreterin des Mädchenradsports beim BDR, geht sogar noch weiter und blickt in Richtung Olympische Spiele. „Die haben wir bei unserer Planung immer im Hinterkopf. Wir wollen die Sportler auf die Bahn bringen, um den Anschluss zu halten“, sagt die Berlinerin. Außerdem ginge es bei den Frauen künftig ja auch um genauso viele Medaillen wie bei den Männern, will Ines Richter schon früh die olympischen Disziplinen in den Vordergrund stellen. Eine Idee wäre, „die Nachwuchsmeisterschaften in Köln umzugestalten“, so Richter. Das hieße, das Omnium dazu und das Madison der Jugend U17 zur „großen Meisterschaft“ abgeben. Das aber ist noch Zukunftsmusik, im Winter bleibt noch genügend Zeit zum planen.

Attraktivere Rennen

Ein anderes Thema war die Attraktivität der Rennen. Mit den sogenannten Zusatzpunkten, ähnlich denen für den aktivsten Fahrer in der Bundesliga, sollte die Angriffslust seit 2009 gefördert werden. Vor allem die im weiblichen Bereich. „Das hat sich toll bewährt, es wird schneller gefahren“, konnte Klaus Waclawik feststellen. Aber auch das Gegenteil war der Fall: In Sömmerda wurde nur die halbe Punktzahl bei der weiblichen Jugend vergeben. Der Willen, offensiv und aggressiv zu agieren, war nicht zu erkennen. „Das ist für die Veranstalter natürlich schlecht. Aber oft trauen sich die Mädchen auch nicht“, sagt Ines Richter, die die Vergabe dieser Sonderpunkte auch schonmal großzügig handhabte.

Trotz allem sind die Talente da und geben sich zu erkennen. Ann-Leonie Wiechmann gehört dazu, die über die gesamte Saison konstante Leistung brachte und am Ende auch die Sichtungsserie souverän gewann. Natürlich gehören die in der Rangliste folgenden Fahrerinnen dazu, wie Sarah Scharbach oder Lisa Carolin Happke – oder Anna Knauer, die nur aufgrund ihrer MTB-Einsätze nicht die große Rolle spielte in der laufenden Serie, ansonsten aber bei ihren Renneinsätzen auf dem Asphalt immer zu überzeugen wusste. Noch größer ist die Leistungsdichte bei der männlichen Jugend U17. Pascal Ackermann bewies über die gesamte Saison seine Vielseitigkeit, die er sich auch in der Zukunft behalten will. Mit Sören Laga, dem Deutschen Meister Arne Egner, Sömmerda-Sieger Jan Brockhoff, Marco Mathis und dem Berliner Silvio Herklotz – um nur einige zu nennen – stehen Namen in den vorderen Rängen der Gesamtwertung, die auch bei den Junioren schnell Fuß fassen werden. Und wenn die Sichtungsserie auch fest integriert ist im Kalender, wird sich im kommenden Jahr doch etwas ändern: Klaus Waclawik wird sich zurückziehen. Diesmal endgültig, nachdem er das bereits Ende 2008 angekündigt hatte. „Irgendwann muss Schluss sein“, sagt der rührige 71-Jährige. „Aber ich kann ja immer noch von hinten helfen“, sagt er, und wenn es nur mit kleinen Geschichten aus seiner langjährigen Tätigkeit ist. René Penno

Dieser Text wurde von mir 2010 verfasst. Es ging um die Situation im deutschen Nachwuchsradsport und war ein Fazit zur BDR-Sichtungsserie, über die ich in diesem Jahr berichtet hatte. Der Text wurde im September 2010 im Fachmagazin „RADSPORT“ veröffentlicht.